Dienstag, 28. Februar 2006

Manager und die moralische Dimension

Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich einen sehr interessanten Artikel zum Thema Ethik im Management gelesen. Der Artikel wurde von dem Herausausgeber des "Harvard Business Review", Thomas A. Stewart geschrieben.

Dieser Artikel ist einer meiner Lieblingsartikel des Harvard Business Review, da er sehr schön die Ethik im Management thematisiert. Ich lese ihn von Zeit zu Zeit erneut. Er lässt sich ebensogut auf die Familie anwenden und ist für Vorgesetzte wie Mitarbeiter sehr interessant zu lesen. Ich freue mich darauf Eure Kommentare zu diesem Artikel zu lesen.

Morgen geht es dann mit den vergangenen Tagen meiner Afrikareise weiter.
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Die Aufregung über ethische Fragen in der Wirtschaft ist berechtigt. Das haben Skandale wie die um den Energiekonzern Enron hinlänglich bewiesen.

Während der Pause im Theaterfoyer tauchte aus der Menge ein Gesicht auf, das mir entfernt vertraut vorkam. Es schaute mich mit diesem fragenden Blick an, den Menschen haben, die sich über lange Zeit nicht mehr gesehen haben. Mein Bekannter hatte vor 15 Jahren für mich gearbeitet, bis er Job und Stadt wechselte. Und auch ich hatte meinen Arbeitgeber gewechselt. Er hatte seitdem geheiratet, Kinder großgezogen und mit viel Erfolg seine Karriere vorangebracht.

Als ich ihm gratulierte und mehr im Spaß sagte, er habe seinen Erfolg auch mir zu verdanken, stimmte er mir zu - sehr zu meiner Überraschung. "Sie haben mir etwas gesagt, das mein Leben sehr verändert hat", sagte er und zitierte einen Satz über sein starkes Organisationstalent. Mir war nicht bewusst, dass ich so etwas je gesagt hätte.

Über die Wirkung einer kleinen Bemerkung

Später dachte ich darüber nach, mit welcher Unbedachtsamkeit ich das Leben dieses Mannes verändert hatte. Ich hatte damals keineswegs etwas Wichtiges sagen wollen und hatte keine Vorstellung von den positiven Konsequenzen meiner Worte.

Zweifellos, dachte ich dann, haben meine Kommentare bei anderer Gelegenheit negative Auswirkungen gehabt, haben Hoffnungen oder Karrierepläne eines anderen zerstört.

Nach Enron, Shell, Worldcom, Parmalat und andere Katastrophen regt sich Hinz und Kunz über ethisches Verhalten in der Geschäftswelt auf. Zu recht. Geschäfte sind die Bausteine der Wirtschaft. Enorme Summen stehen auf dem Spiel, und das Geld gehört in der Regel Menschen, die den Entscheidern völlig fremd sind. Ohne ethische Grundsätze beim Geschäftemachen und ohne Fairness im Handel kann die Wirtschaft nicht vorangebracht werden.

Zurecht haben die Aufsichtsbehörden Alarm geschlagen. Zurecht haben die Wirtschaftshochschulen der Welt dem Fach Ethik mehr Raum gegeben. Und zurecht haben einst bösartige Unternehmen wie Tyco ein beeindruckendes Arsenal an Sicherheitssystemen eingeführt, um nicht wieder rückfällig zu werden. Doch eines Tages wird sich das Pferd wieder aufbäumen - Gier ist ein schlaues Tier. Doch sollten dann zumindest die Riegel an der Stalltür halten.

Die moralische Dimension des Handelns

Meine Begegnung im Theaterfoyer aber hat mir gezeigt, dass es für Manager neben der ethischen Dimension auch eine moralische Dimension des Handelns gibt. Damit meine ich, dass jeder Manager, egal auf welcher Stufe eines Unternehmens er arbeitet, ganz unabhängig von seinen ethischen Verpflichtungen die Möglichkeit hat, die Welt zu verändern. Dieser Aspekt des Managements ist fast ganz in Vergessenheit geraten.

Ein Manager hat immer großen Einfluss - gut oder schlecht. Für einen Manager und diejenigen, die für oder mit ihm arbeiten, gibt es keine kleinen Gesten. Manager schaffen das Umfeld, in denen die meisten Menschen die Hälfte ihres Tages verbringen. Schlechtes Management kann den Menschen das Leben schwer machen.

Umfragen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der häufigste Grund, warum Menschen ihren Job verlassen, die schlechte Beziehung zu ihrem direkten Vorgesetzten ist. "Mitarbeiterpolitik" hat selten Vorrang. Meist werden diese Daten aus der Perspektive des Managements interpretiert: Legt ein Unternehmen mehr Wert auf das Verhalten der Manager, verbleiben die Mitarbeiter länger im Unternehmen und ihre Produktivität steigt.

Manager können Mitarbeitern viel antun

Aus einer anderen Perspektive betrachtet, zeigen die Umfragedaten wie viel Unglück Manager ihren Mitarbeitern antun können und antun. Ebenso wie ein gutes Management den wirtschaftlichen Erfolg des Managements fördert, vervielfachen sich die Kosten eines schlechten Managements schnell. Oft leiden nicht nur die Mitarbeiter eines Managers, sondern auch deren Ehepartner und Kinder.

Wo aber werden die moralischen Dimensionen des Handelns deutlich? Dazu ein Beispiel: Südafrikas staatlicher Stromkonzern Eskom war einst eines der Instrumente der Apartheid. Auch heute noch ist das Unternehmen ein Instrument staatlichen Handelns - gleichwohl unter anderen Vorzeichen.
Die nicht weißen Mitarbeiter des Unternehmens wurden an mehr Verantwortung herangeführt. Diejenigen, die nicht lesen und schreiben konnten, erhielten Unterricht. Stellenbeschreibungen wurden umgeschrieben, so dass auch nicht weiße Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, aufzusteigen und besser zu verdienen.
Selbstverständlich ist das Beispiel Eskom extrem. Doch im Kleinen trifft der Manager immer wieder die moralische Entscheidung jemanden ein- oder auszugliedern - "andere" Menschen sich beteiligen lassen oder nicht.

Abkehr vom Rassismus

Die Restaurantkette Denny’s war in den USA einst für ihre rassistische Unternehmenspolitik verrufen. Das Management entschloss sich zur Kehrtwende und zeigte, was mit gutem Management erreicht werden kann: Bald schon war Denny’s einer der 50 besten Arbeitgeber für ethnische Minderheiten in den USA. Tag für Tag haben Manager die Gelegenheit, die Würde der Menschen aufzuwerten - oder eben nicht.

Managemententscheidungen sind moralische Entscheidungen. Ein weiteres Beispiel ist der Konflikt der Frauen zwischen Karriere und Familie. Untersuchungen zeigen, dass sich die Rechte und Möglichkeiten von Mädchen und Frauen stetig verbessern. Ebenso viele Mädchen wie Jungen besuchen heute weiterführende Schulen und Hochschulen. Und auch beim Einstellungsverhalten der Unternehmen schwinden die Unterschiede drastisch. Doch nach wie vor verlassen viele Frauen, die einen Karriereweg eingeschlagen haben, diesen wieder.

Männer, Unternehmen und Politik sollten es Frauen leichter machen, sowohl eine anspruchsvolle Karriere zu machen als auch ein erfülltes Familienleben zu leben. Doch selbst unter der fortschrittlichsten Politik kommt es letztlich auf die Interaktion zwischen der Mitarbeiterin und ihren Managern an - wie sie ihre Arbeit, ihre Bedeutung für die Arbeit der Kollegen und ihre Zukunft beurteilen.

Beurteilung als moralische Angelegenheit

Eine Beurteilung ist immer eine moralische Angelegenheit. Und auch die Beurteilung ist die Aufgabe von Managern. Bei der Einstellung, bei der Leistungsbeurteilung, bei der Entscheidung zwischen zwei Alternativen treffen sie Entscheidungen mit moralischen Konsequenzen. Wie aggressiv soll die Preispolitik vorangetrieben werden? Wie lange tragen wir einen Kollegen, dessen Leistungen die Bilanz der Abteilung belasten?

Eine große Rolle spielen Manager zudem bei der persönlichen Fortentwicklung ihrer Mitarbeiter. Etwa indem sie ihre Mitarbeiter auf Schulungen schicken, oder indem sie ihren Mitarbeitern Aufgaben stellen, die sie wieder ein Stück weiterbringen in ihrer Entwicklung. Doch dieser Aspekt wird oft sehr nachlässig gehandhabt, die Ziele der Untergebenen geraten allzu oft in den Hintergrund.

Angst vor den Ambitionen der Mitarbeiter

Nicht selten haben Manager gar Angst vor den Ambitionen ihrer Mitarbeiter. Versucht jemand, einem Manager seinen Mitarbeiter zu "stehlen", reagiert er meist eifersüchtig aber selten wie ein stolzer Vater. Aber gibt es nicht eigentlich etwas moralischeres, als jemand anderes bei seiner Entwicklung zu helfen? Oder anders gesagt: etwas unmoralischeres als jemand anderem im Weg zu stehen?

Die moralischen Dimensionen der Managementarbeit sind andere als die ethischen Dimensionen. Es gibt Regeln der Ethik und der Etikette. Bei der moralischen Dimension geht es nicht darum, das Verhalten anderer zu verurteilen oder zu loben, sondern um das komplizierte Abwägen, wie unsere Entscheidungen das Leben unserer Kollegen beeinflussen.

Anders als Unternehmensleiter, die hoch zu Rosse ihre Truppen zusammenziehen, arbeiten Manager von Angesicht zu Angesicht. Der Manager nimmt seine Macht nur selten wahr und schenkt ihr daher wenig Aufmerksamkeit. Aber ein Manager hat täglich die Möglichkeit, etwas zu tun, was die Welt ein kleinwenig lebenswerter macht.

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